Wußten Sie, daß wir ohne das Ökosystem nicht lebensfähig wären. Und können Sie sich vorstellen, daß wir weit mehr Mikroorganismen in unserem Darm beherbergen, als wir Körperzellen haben?
Tatsächlich leben ca. mehrere 100 Billionen Keime in unserem Darm. Unvorstellbar, wenn man bedenkt, daß wir mit nur knapp 7 Milliarden Menschen die ganze Erde besiedeln. 100 Billionen Bakterien können wir uns wegen ihrer mikroskopischen Größe so schwer vorstellen. Aber sie spielen schon eine gewichtige Rolle, denn sie machen immerhin 1,5 bis 2 kg unseres Körpergewichts aus. Unglaublich, nicht wahr?
Da sage noch einer, der Darm und seine Darmflora hätte nur eine zweitrangige Bedeutung in unserem Organismus; Herz, Lunge und Gehirn wären viel wichtiger. Aber leider ist es noch immer so, daß selbst unter Ärzten das ökologische System im Darm zu wenig Beachtung findet. So werden Sie immer wieder erleben, daß Ihr Magen oder Darm per Ultraschall, Röntgen oder Spiegelung organisch genauestens untersucht wird, das Milieu in diesen Hohlorganen aber unberücksichtigt bleibt. Haben diese apparativen Untersuchungen keinen krankhaften Befund erbracht, werden Sie meist organisch für gesund erklärt. All zu oft werden dann eher psychische oder psychovegetative Belastungen als Grund für die geklagten Beschwerden vermutet.
Eine Untersuchung des Mikroökologischen Systems im Magen und Darm mittels einer speziellen Stuhlprobe würde aber sofort weiterhelfen. Meist zeigt sich ein gestörtes Darmmilieu in einem gesunden Organ Darm. Das ist nämlich kein Widerspruch in sich. Solange die krankhaften Veränderungen des Milieus die Darmwand nicht massiv angreifen und zu Entzündungen führen, muß trotz aller quälenden Bauchbeschwerden z.B. die Bauchspiegelung keinen krankhaften Befund ergeben.
Sie können sich natürlich vorstellen, daß bei einer nachgewiesenen organischen Erkrankung von Magen und Darm um so mehr das Milieu in diesen Organen gestört sein muß – als Ursache oder in Folge der Erkrankung.
Kurz um, eine Sanierung dieses Mikroökologischen Systems ist bei jeder längerfristigen Magen-Darmerkrankung nicht nur sinnvoll, sondern ein Muß!
Was nützen Ihnen z.B. entzündungshemmende Medikamente für die Schleimhaut, wenn Milliarden störender Darmkeime diese Schleimhaut besiedeln. Noch unsinniger wäre allerdings ein Antibiotikum, weil das auch die gewünschten Kulturen dezimieren könnte und das Schutzsystem noch mehr schwächt. Allein das darmspezifische Antibiotikum Rifaximin bildet hier eine Ausnahme, weil es unter weitestgehender Schonung der gewünschten Kulturen erfolgreich Gär- und Fäulniskeime reduziert. Auch die symptomatische Therapie mit krampflösenden Arzneien ändert nichts am Fortbestand z.B. gärungsfreudiger Hefen. Selbst ein säureblockendes Medikament kann nur kurzfristig und oberflächlich helfen, in dem es ätzende Magensäure reduziert. Dafür wird aber die für die Vorverdauung im Magen notwendige Magensäureproduktion so unterdrückt, daß der Darm noch mehr belastet wird.
Nun sollten wir uns einmal das Ökosystem des Darmes genauer anschauen. Daß darin mehrere 100 Billionen Keime leben, das wissen Sie schon. Nun wäre es noch recht übersichtlich, wenn es sich nur um eine Keimart handelte. Aber wir beherbergen in unserem Darm über 500 bis 1000 Arten, die vom Magen bis zum Enddarm in zunehmender Dichte siedeln. Bei jedem Menschen findet sich eine unterschiedliche Zusammensetzung, die von der zurückliegenden Lebensgeschichte bestimmt wird. Dabei entscheiden u.a. Eß- und Lebensweise, Streßbelastungen, Ernährung, Nahrungsmittelallergien, Säureblocker, Infektionskrankheiten oder Antibiotikabehandlungen, welche Keimarten sich bei uns wohlfühlen. Abgesehen von krankmachenden Bakterien und Pilzen ist für das Verständnis des Ökosystems fast wichtiger, die Bedeutung der gewünschten Darmflora zu kennen.
Sie haben sicher schon einmal bei Ihrem behandelnden Arzt eine Stuhlprobe zur Untersuchung in einem Großlabor abgegeben. In der Regel werden – mit Ausnahme einiger weniger Speziallabore – die Stuhlproben nur auf pathogene (krankmachende) Bakterien und Pilze untersucht. Allzu selten kümmert man sich um die so wichtigen, schützenden „Hauskeime“.
Nun kommt die entscheidende Frage: Warum sind die physiologischen (normal vorkommenden) Keime so wichtig? Insbesondere die Laktobazillen und Bifidobakterien erfüllen für uns drei wichtige Aufgaben:
- Sie synthetisieren best. Vitamine (z.B. B-Vitamine und Vitamin K)
- Sie ermöglichen uns die Spaltung der Rohfaser.
Wir Menschen können die in pflanzlicher Kost enthaltene Rohfaser nicht spalten. Dafür benötigen wir dringend die Mithilfe der Bakterien. Ohne diese Keime kommt es zu massiven Blähungen. Außerdem entwickeln die Bakterien aus unserer Kost u.a. Milch- und Buttersäure, die unsere Darmschleimhaut ernährt und den Säure-Basen-Haushalt im Darm stabil hält.
- Sie erfüllen für uns die lebensnotwendige Barrierefunktion
Lebensnotwendig ist hier wörtlich zu nehmen, denn ohne diese Bakterienfunktion können wir nicht existieren!
Sie werden sich sicher an diese Stelle fragen, was dieser technisch anmutende Begriff Barrierefunktion mit unseren Bakterien und vor allem mit unserem Überleben zu tun hat. Und das ist wirklich nicht übertrieben. Um das zu verstehen, müssen wir etwas ausholen. (Die Nutzung der beiden folgenden Abbildungen erlaubte mir freundlicherweise der Probiotika-Hersteller nutrimun in Münster)
Unser Organismus hat im Darm ein wichtiges immunologisches Problem zu lösen. Wir haben nämlich im Darm eine riesige Schleimhautfläche von mehr als 400qm. Kaum zu glauben, daß diese Fläche in Ihrem Bauch Platz findet! Dennoch ist es so. Durch Faltenbildung und unendlich viele Schleimhautzotten ist diese Oberflächenvergrößerung überhaupt möglich. Diese mehr als 400qm sind notwendig für die Nährstoffaufnahme. Leider hat diese große Oberfläche auch einen gewaltigen Nachteil. Wir öffnen uns auf großer Fläche auch gegenüber Dingen aus der Umwelt, die wir nicht haben wollen. Und wenn Sie einen kleinen Moment darüber nachdenken, dann wird Ihnen klar, daß fast alles, was uns krank macht, von uns vorher heruntergeschluckt wurde. Deshalb wundert es nicht, daß ca. 80% unserer Immunleistungen von der Darmschleimhaut erbracht werden. Ja, Sie haben richtig gelesen – 80%! Nicht die Lymphknoten und nicht die die weißen Blutkörperchen in der Blutbahn tragen den Riesenanteil an unseren Immunleistungen.
Also müssen wir die Schleimhaut gut bewachen. Bei einer derartig großen Fläche ist unser darmwandständiges Immunsystem aber überfordert. Deshalb sind wir Menschen im Lauf unserer Evolution eine enge Symbiose mit bestimmten Darmbakterien eingegangen. Denn diese Keime siedeln, gut von uns gefüttert, bereitwillig auf unserer Darmschleimhaut und bilden damit eine Schutzbarriere.
Spätestens nun dürfte Ihnen verständlich werden, warum die Darmflora für uns so wichtig ist. Sie hat einen entscheidenden Anteil an der Stärke unseres Immunsystems.
Und damit ist auch klar, daß bei allen Erkrankungen, die etwas mit dem Immunsystem zu tun haben, die Darmflora eine entscheidende Rolle spielt. Ob Sie nun unter wiederholten Nasennebenhöhleninfektionen, Bronchitis oder Blasenentzündungen leiden, mit einer Sanierung des Ökosystems des Darmes heilen diese Krankheiten meist aus.
Über die wichtigen Immunfunktionen hinaus entscheidet die Zusammensetzung des Darmmilieus über unser Allgemeinbefinden. Bei Fehlbesiedlungen mit Gär- oder Fäulniskeimen wird zum einen unsere Darmschleimhaut gereizt und damit u.U. an der vollständigen Aufnahme der Nährstoffe gehindert (sog. Malabsorption). Zum anderen handelt es sich bei Gärungsvorgängen immerhin um alkoholische Gärung. Dabei entstehen neben Äthylalkohol auch Fuselalkohole. Beide sind für uns toxisch und können unser Allgemeinbefinden ganz erheblich beeinträchtigen.
Nachdem Sie nun schon so einiges erfahren haben, erscheint es fast überflüssig zu erwähnen, daß bei chronischen Darmerkrankungen das Ökosystem natürlich eine entscheidende Rolle spielt. Ohne eine konsequente Darmsanierung ist eine Ausheilung niemals zu erzielen. Denken Sie nur an die chronische Colitis (Dickdarmentzündung) oder gar an die Colitis ulcerosa, bei der die Schleimhaut von blutenden Geschwüren übersäht ist. Die wunde Schleimhaut ist schutzlos krankmachenden Keimen ausgesetzt, wenn nicht ausreichend schützende, gewünschte Keime zur Verfügung stehen. Jedem Laien wird verständlich, daß eine von Fremdkeimen übersäte Wunde nicht heilen kann. Da können entzündungshemmende Arzneien bestenfalls die Beschwerden lindern.
Es gäbe noch so manches über unser Ökosystem Darm zu sagen. Auf jeden Fall dürfte Ihnen nach diesen Ausführungen die unglaubliche Komplexität unseres Darmmilieus klar geworden sein. Es ist ein eigener Mikrokosmos, der quasi außerhalb unseres Körpers uns ganz erheblich manipuliert. Außerhalb unseres Körpers deshalb, weil das Darmmilieus biologisch für uns Außenwelt ist. Es existiert zwar in unserem Körper, aber außerhalb der Schleimhaut im Hohlraum des Darmes.
Nehmen Sie aus diesen Ausführungen die Erkenntnis mit, daß Sie Ihrem Ökosystem im Darm mit Respekt begegnen sollten, denn es entscheidet über Ihr Wohlbefinden. Dieses sollten Sie um so mehr bei der Auswahl Ihrer Kost und eventueller Medikamente immer beachten.