Wenn das Darmmilieu kippt
In unserem Darm leben ca. 500 bis 800 Billionen Bakterien. Eine unvorstellbare Zahl, wenn man bedenkt, daß unser Körper einmal gerade aus ca. 10 Billionen Zellen besteht. Und diese Bakterien können in 25 bis 30 Minuten eine neue Generation bilden. Wir benötigen 25 Jahre dafür. Da kann man nur hoffen, dass sich die richtigen Darmbakterien vermehren. Ansonsten sieht es schlecht aus für uns. Denn unser Darmmilieu ist geradezu ein Schlaraffenland für Bakterien und Pilze. Eine „Brutschranktemperatur“ von stets 37 Grad und Nährstoffe ohne Ende können jeder Zeit eine Biogasanlage in unserem Darm entstehen lassen. Wenn erst einmal Gär- und Fäulniskeime oder andere Krankheitserreger in uns Fuß gefaßt haben, dann kann unser Körper mit seinem Immunsystem und seiner Schleimhautabwehr deren Entwicklung oft nicht mehr aufhalten.
Es gibt viele denkbare Ursachen für das Kippen unseres Darmmilieus. Neben lang anhaltendem Streß oder drastischer Kostumstellung sind als Hauptverursacher vorausgegangene Infekte zu nennen. Letztere im Besonderen, wenn sie antibiotisch behandelt wurden. Antibiotika wirken wie der Supergau im Ökosystem Darm. Viele schützende Keime gehen dabei unter, während antibiotikaresistente Keimarten sich schon unter der Behandlung ungezügelt vermehren können. Allzu häufig werden auch ärztlicherseits anlässlich einer Antibiotikatherapie die Bedenken des Patienten mit dem Bemerken zerstreut, daß die Darmbakterien sich nach dem Antibiotikum wieder erholen. Erholen werden sich Bakterien schon, nun leider meist die Falschen! Und das sind erfahrungsgemäß fast immer Gär- und Fäulniskeime, die sehr schnell und vehement durch sehr unangenehme Gasbildung auf sich aufmerksam machen. Fortan sind der Blähbauch, der wechselhafte Stuhl und die Bauchschmerzen ständige Begleiter.
Das ist aber nur der Anfang einer sehr viel schwerwiegenderen Problematik. Mit der Störung des Milieus wird auch die schützende bakterielle Barriere auf unserer Schleimhaut geschwächt. Die stimulierende Wirkung für die Antikörperbildung schwächt sich mangels gewünschter Keime ab, während Fremdkeime zunehmend die Schleimhaut attackieren und sie somit in einen Reiz- bzw. Entzündungszustand versetzen. Die unmittelbare Folge ist ein sog. Leaky Gut Syndrom – eine Durchlässigkeitsstörung der Schleimhaut mit sehr weit reichenden Konsequenzen.
Einerseits werden lebenswichtige Nähr- und Vitalstoffe nur unzureichend aufgenommen, was zu Mangelzuständen und somit zu Leistungsminderung und Konzentrationsstörungen führen kann. Noch gravierender ist andererseits aufgrund von Minilückenbildungen zwischen einzelnen Schleimhautzellen, daß wie bei einem Dammbruch toxische Stoffe und Fremdeiweiße unseren Körper überschwemmen und sogar Nahrungsmittelallergien auslösen können. Die Durchlässigkeitsstörung der Schleimhaut hat häufig auch noch einen schwerwiegenden Einfluß auf unsere Psyche. Das mag Sie sicher überraschen, denn ein Zusammenhang zwischen Darm und Psyche scheint doch im wahrsten Sinne des Wortes sehr weit hergeholt. Allenfalls möge man vielleicht annehmen, dass anhaltende Bauchschmerzen uns quälen und damit uns psychisch belasten. Das ist gewiß auch häufiger der Fall. Aber es gibt auch einen unmittelbares Zusammenspiel zwischen unserem Darm und unserer Psyche. Der Darm ist tatsächlich auch ein Hormonorgan – er bildet im gesunden Zustand ca. 95% unseres Glückshormons Serotonin bzw. die Vorstufe davon. Bei einer Durchlässigkeitsstörung fehlen für die Hormonsynthese jedoch wichtige Bausteine wie die Aminosäure Tryptophan und diverse Vitamine der B-Gruppe. Die Folge sind Antriebsminderung und Depression.
Spätestens hier sollte Ihnen bewusst werden, dass eine durch Darmmilieustörung ausgelöste Irritation der Schleimhaut gravierende Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben kann und meist auch hat.
Sie glauben nicht, wie viele chronische Erkrankungen anderer Organsysteme direkt oder indirekt doch mit dem Darm zu tun haben.