Chronische Erkrankungen durch einen gestörten Darm

Erst die Spezialisierung innerhalb bestimmter Fachgebiete und die damit verbundene technologische Entwicklung ermöglichten den heutigen Fortschritt in der Medizin. Leider birgt die Spezialisierung mit ihrem Röhrenblick auch die Gefahr, dass der Blick für das Ganze verloren geht. Da sieht der HNO-Arzt u.U. bei Behandlung wiederkehrender Nebenhöhleninfektionen den Antikörpermangel aus dem Darm nicht oder der Orthopäde übersieht beispielsweise bei der Behandlung von Muskelverspannungen die ursächlich stoffwechselbedingte Übersäuerung. Und selbst der Gastroenterologe, dessen Spezialgebiet der Darm nun einmal ist, sieht mit seinem im wahrsten Sinne des Wortes Röhrenblick durch das Endoskop eine optisch gesunde Dickdarmschleimhaut, obgleich eine mikrobiombedingte Irritation der Dünndarmschleimhaut mangels Serotoninbildung die Ursache für eine Depression sein kann. Ja, das ist alles sehr kompliziert, aber so ist das Leben! Ohne Kenntnis der Krankheitsursache bleibt oft nur eine frustrierende Symptombehandlung.

Fühlen Sie sich nicht all zu betroffen, dass Ihnen die im Folgenden dargestellten Zusammenhänge bisher unbekannt waren. Auch vielen Ärzten geht es ähnlich. Darum sind zu diesem Thema von mir angebotene Ärzteseminare in Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol seit Jahren gut besuchte Veranstaltungen.

Leiden Sie an einer chronischen Hautkrankheit wie der Neurodermitis und wundern sich, warum die externe Anwendung von Tinkturen, Cremes oder Salben allenfalls vorübergehende Verbesserungen bringen? Wenn Sie das frustrierende Ausprobieren verschiedenster Darreichungsformen leid sind, sollten Sie sich fragen, ob die Ursache nicht interne Gründe hat. Sie glauben nicht, wie häufig toxische Fäulnisprodukte aus dem Darm möglicherweise im Sinne einer Entgiftungsreaktion über die Haut ausgeschieden werden und damit Entzündungen auslösen. Das gleiche gilt für Antikörper aus erworbenen Nahrungsmittel-Allergien. Die immer häufiger auftretende Glutenintoleranz kann erhebliche Hautsymptome auslösen. Außerdem können Durchlässigkeitsstörungen der Darmschleimhaut einen Mangel der für die Haut so wichtigen Vitalstoffe wie z.B. Biotin, Pantothensäure oder Zink bedingen.

Wiederkehrende Infekte z.B. der Atem- und Harnwege müssen unweigerlich den Verdacht auf eine Abwehrschwäche lenken. Wenn nicht ohnehin gleich Antibiotika verordnet werden (…die haben letzthin geholfen und werden es nun wieder tun!), dann wird allenfalls ein großes Blutbild erstellt. Daraus erfahren Sie aber nur, wie viel weiße Blutkörperchen im Blut unterwegs sind. Über die schützenden Antikörper, die zum größten Teil das Darmschleimhaut-Immunsystem bilden sollte, erfahren Sie nichts. Viele weiße Blutkörperchen helfen wenig, wenn die Antikörper nicht schon vor dem Infekt die Atem- und Harnwegsschleimhäute schützen. Das gilt übrigens ebenso für die leidvollen Genitalinfektionen der Frau. Es mag Sie also nicht verwundern, wenn die Hauptursache für therapieresistente Infekte im Darm zu finden ist – ganz besonders nach wiederholter Antibiotika-Anwendung!

Migräne gilt allgemein als schwer behandelbar, weil die Medizin die Ursachen meist nicht klar definieren kann und die Behandlung doch meist symptomatisch mit diversen Schmerzmitteln bzw. mit sog. Triptanen (spezielle Migränewirkstoffe) erfolgt. Zum Leidwesen vieler Migränepatienten führen zumindest zwei bekannte Ursachen aus dem Darm ein Schattendasein in der Medizin. So kann nachweislich Histamin Migräne auslösen. Nicht selten stammt dieses Histamin von Fäulnisbakterien im Darm. Und seit langem ist bekannt, dass das Serotonin in irgendeiner Weise bei der Auslösung eines Migräneanfalls mitspielt. Deshalb therapiert man heute sehr häufig mit den Serotonin-Agonisten aus der Gruppe der Triptane. Wenn Sie die vorherigen Abschnitte aufmerksam gelesen haben und einen Moment nachdenken, dann sollte Ihnen klar werden, was jedem Arzt (eigentlich!) klar werden sollte: Serotonin wird fast ausschließlich im Darm gebildet; könnte nicht hier auch eine Ursache der Migräne liegen? Ganz richtig! Und das ist gar nicht so selten der Fall. In meiner Praxis habe ich die Erfahrung gemacht, dass neben einem verschobenen 1. Halswirbel, dem Atlas, die gestörte Serotoninsynthese im Darm die zweithäufigste übersehende Ursache der Migräne in der Medizin ist! Immer wieder berichten Migränepatienten nach erfolgreicher Darmsanierung über eine deutliche Abnahme der Anfallsfrequenz.

Und wenn wir schon beim Serotoninstoffwechsel sind, dann muß Ihnen natürlich sofort klar werden, dass die Depression nicht zwingend ein unabänderliches Schicksal sein und gradlinig in die Pharmakotherapie mit nebenwirkungsreichen Antidepressiva führen muß. Auch für die Depression gibt es wieder zumindest zwei häufig übersehende oder gar nicht bekannte Ursachen, die mit dem Darm zu tun haben. Die eine ist Ihnen natürlich bereits geläufig. Eine gestörte Darmschleimhaut kann nicht genügend Serotonin aus der Aminosäure Tryptophan synthetisieren – alles klar! Nun kommen wir zur zweiten Ursache und die hat ebenfalls mit einem Serotoninmangel zu tun. Allerdings mit dem Unterschied, dass hier nicht der Weg vom Tryptophan zum Serotonin in der Schleimhaut gestört ist. Die Rede ist von einer Fruktosemalabsorption (gestörte Fruchtzuckeraufnahme). Noch nie etwas davon gehört? Das geht auch so manchem Therapeuten so! Sie werden es nicht glauben, aber man nimmt an, dass ca. 40% der Bevölkerung mehr oder weniger darunter leiden! Was hat nun der Fruchtzucker mit der Depression zu tun? Das kann doch gar nicht sein, wo doch Obst so gesund ist und so viele Vitamine beinhaltet! Und doch kann ein Überschuß von unverdautem Fruchtzucker im Darm mit der bekannten Aminosäure Trytophan einen unlöslichen Komplex bilden, der dann statt zu Serotonin zu werden in der Toilette landet! Kaum zu glauben, aber im Einzelfall kann Obst depressiv machen.

Leiden Sie möglicherweise an unerklärlichen Schmerzen in Muskeln, Sehnen oder an Gelenken und denken vielleicht, Sie hätten Rheuma oder ähnliches? Und waren Sie bereits bei Orthopäden, Rheumatologen und Radiologen und keiner hat etwas Greifbares gefunden? Dann sollten Sie jetzt darüber nachdenken, ob nicht einerseits eine Stoffwechselstörung im Sinne einer Gewebsübersäuerung besteht. Oder Sie sollten sich fragen, ob Ihre Beschwerden nicht die Auswirkungen einer sog. „enteralen Autointoxikation“ (…aus dem Darm stammende Selbstvergiftung) sind. In diesem Fall würden Sie unter den Stoffwechselprodukten darmbesiedelnder Gär- und Fäulniskeimen leiden. Meist von Blähungen und Flatulenz begleitet entstehen bei alkoholischer Gärung oder Fäulnis bakterielle Abfallprodukte, die nicht ausschließlich über den Stuhl ausgeschieden werden. Einen gewissen Teil nehmen wir wohl oder übel mit der Nahrung auf und müssen ihn anschließend irgendwie entsorgen. Je nach anflutender Menge sind unsere Leber und die Nieren alsbald überfordert. Nun muß unser Organismus zusehen, wie er mit der Restmenge fertig wird, indem er gezwungenermaßen Zwischenlager anlegt. Denn aus dem Blut muß dieser toxische Abfall verschwinden. Und dafür müssen dann unsere „Müllhalden“ Fett- oder Bindegewebe herhalten. Da haben wir die Erklärung für Ihre Schmerzen. Aus Bindegewebsstrukturen bestehen unsere Sehnen, Gelenkkapsel und sie finden sich in den Muskeln! So ist es also durchaus möglich, dass Ihr Blähbauch mit Ihren Schmerzen zusammenhängt. Wird der Darm gesund, werden es Ihre Gelenke u.U. auch. Sie sehen hier wieder ein schönes Beispiel dafür, dass die Beschwerden nicht dort Ihren Ursprung haben müssen, wo sie spürbar sind. Ein Fall für die Ganzheitliche Medizin.

Und wenn es eine chronische Erkrankung gibt, bei der man immer an den Darm denken muß – auch wenn es leider selten in der Medizin der Fall ist – dann ist es das Burn-out-Syndrom! Leider wird diese Diagnose heute derartig inflationär benutzt und wird dadurch in der Symptomatologie allzu schwammig. Deshalb sei dieses Syndrom hier stattdessen schwerer, chronischer Erschöpfungszustand genannt – psychisch oder organisch, das sei erst einmal dahingestellt. Welchen Anteil der oft zitierte Alltagsstreß an diesem Krankheitsgeschehen auch haben mag, es ist nicht messbar und somit kaum zu bestimmen. Gewiß mag die Psyche unter allzu großem Streß leiden. Aber ganz sicher leidet der Darm und mit ihm unser Bauchgehirn, die Hormonproduktion (u.a. Serotonin) und das Mikroökologisches System – und das ist messbar! Eines ist auf jeden Fall sicher vorauszusagen: Bricht der Darm zusammen, bricht der ganze Mensch zusammen. Und da jeder weiß, dass unser Darm zusammen mit dem Magen vegetativ hochsensible Organe sind, leiden sie unter Streß besonders und zeigen rasch massive Störungen. Jeder kennt sie die Streßgastritis oder die Streßgeschwüre. Aber das sind nur die am deutlichsten sichtbaren Folgen. Im Hintergrund laufen weitaus subtilere Störungen mit weitreichenden ganzkörperlichen Konsequenzen ab. Natürlich haben wir hier – wie könnte es anders sein – auch wieder das Thema Serotoninmangel durch eine gereizte Schleimhaut. Die Konsequenzen sind Antriebsminderung und Depression, was natürlich jeden Erschöpfungszustand gravierend verschlimmert. Erschöpft ist man ganz sicher aber auch durch die geminderte Aufnahme von Nähr- und Vitalstoffen. Insbesondere in unserer Umwelt nur wenig vorkommende Stoffe wie beispielsweise Zink werden dann sich bei gestörter Aufnahme als Mangel massiv auswirken. Zink wird in über 300 Stoffwechselschritten in unserem Organismus zwingend gebraucht.

Die wahrscheinlich schwerwiegendsten Konsequenzen lang anhaltenden Stresses ereignen sich im Mikroökologischen Systems des Darmes. Um es grob vereinfachend darzustellen, könnte man sagen, die gewünschte Darmflora geht in die Knie und die Gär- und Fäulniskeime entwickeln sich getreu dem Motto „die Harten kommen in den Garten“. Wie im folgenden Kapitel über Kettenreaktionen eingehend dargestellt, werden streßbedingt die Speisen schlechter verdaut und bieten somit perfektes Futter für Gär- und Fäulniskeime. Im Sinne der „enteralen Autointoxikation“ entstehen dabei diverse toxische Stoffe wie Methylakohol, Indol, Benzoesäure, Cresol etc., die über die Blut- und Lymphbahnen in alle (auch das Gehirn) Gewebe gelangen können und damit massiv schwächen. Da muß man sich dann ernstlich fragen, ob der auslösende Streß oder seine weitreichenden Folgen schlimmer sind.

Sehr mühsam aber stetig zieht selbst in den Universitäten die Erkenntnis ein, daß Autoimmunerkrankungen direkt oder zumindest indirekt immer mit einem gestörten Mikrobiom zu tun haben. Wer hätte das gedacht! Dabei klingt es doch so logisch, wenn man bedenkt, welch zentrale Rolle in unserem Immunsystem das Mikrobiom spielt. Und wenn dieses Immunsystem durch massive Fehlbesiedlungen hochfährt, kann es im Zweifelsfall auch überdrehen und sich gegen eigenes Gewebe richten – also autoimmun reagieren. Ja, Nachdenken kann auch in der Medizin nicht schaden! Somit geraten Mikrobiomstörungen im Darm zunehmend in den Fokus von Rheuma, Hashimoto-Thyreoiditis, Psoriasis, Typ-1-Diabetes und sogar die Multiple Sklerose! Natürlich dürfen wir bei dieser Aufzählung das Naheliegendste nicht vergessen. Auch die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zählt man zu den Autoimmunerkrankungen.

Wenn wir meine These „Darm krank – alles krank“ wörtlich nehmen, dann muß das natürlich auch auf die Krebserkrankungen zutreffen. Noch steht die wissenschaftliche Forschung hier am Anfang, aber die ersten Ergebnisse lassen keinen Zweifel mehr. Unser Mikrobiom hat erheblichen Einfluß darauf, ob unsere Körperzellen artig ihre ihnen aus dem Bauplan der Natur zugewiesene Aufgaben erfüllen oder rebellisch werden und zu Krebszellen entarten.
Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, warum der Eine Jahrzehnte lang exzessiv rauchte und allenfalls an Raucherhusten leidet und der Andere nie rauchte, keinen Alkohol trank, sich stets gesund ernährte und an Lungenkrebs erkrankt?
Offensichtlich denken wir zu kurz, wenn wir die Ursachen für Krebs z.B. dem Rauchen, dem Alkohol oder Umweltgiften allein zuordnen.
Schon längere Zeit gibt es eigentlich keinen Zweifel mehr daran, daß zumindest im Darm unser Mikrobiom einen Einfluß darauf hat, ob wir an Darmkrebs erkranken oder gesund bleiben. So führt nicht der zu hohe Fleischkonsum u.U. zur Krebsentwicklung, sondern die Fäulniskeime, die bei der Verwertung des Fleisches krebserzeugende Stoffe entstehen lassen. Das sind u.a. Cresol, Indol oder Benzoesäure, die von Clostridien u.a. Bakterien die Schleimhautzellen über Jahrzehnte ärgern und später entarten lassen. Die Behauptung, Fleisch würde Darmkrebs erzeugen, ist per se völlig unsinnig, denn allen Veganern zum Trotz waren tierische Eiweiße unsere Grundnahrungsmittel über Hunderttausende von Jahren! Das gilt zumindest für das Frischfleisch. Ganz anders mag es bei den verarbeiteten Fleischprodukten aussehen.
Von bestimmten E.Coli-Stämmen weiß man, daß sie mit einer Substanz namens Colibactin das Erbgut (DNA) der Darmschleimhautzellen schädigen. Dabei sind die Gene betroffen, die für das Zellwachstum zuständig sind. Von über zwölf Bakterienstämmen weiß man, daß sie mit bioaktiven Molekülen Stücke aus dem Doppelstrang unserer DNA ausschneiden und damit Krebszellen entstehen lassen können. Von sog. Morganella- und Fusobakterienarten kennt man deren krebserzeugende Fähigkeit. Diese und andere Bakterienarten findet man übrigens gehäuft in den Tumoren selbst! Man geht heute sogar davon aus, daß jeder Tumor sein spezifisches Mikrobiom trägt. Wir sind eben in keinem Gewebe keimfrei; das sollte uns bewußt werden!

Soviel ist zumindest über die Krebsentstehung des Darmes bekannt. Nun ist es aber absolut nicht abwegig anzunehmen, daß ein gestörtes Mikrobiom auch außerhalb des Darmes an der Krebsentstehung beteiligt ist. Denn die krebsauslösenden bioaktiven Moleküle tauchen natürlich auch in der Blut- und Lymphbahn auf und können auf diesem Wege jedes Organ erreichen.
So fand man u.a. am Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg, daß die Ansprechbarkeit von Chemo- bzw. Immuntherapien auf Krebszellen unter Darmfehlbesiedlungen (Dysbiosen) deutlich schlechter ausfällt.
Das spezifische Tumormikrobiom kann unter bestimmten Umständen die Tumorzellen sogar vor dem Angriff der Chemotherapie schützen.
In der Gynäkologie gibt es Hinweise für ein aggressiveres Wachstum des Mammakarzinoms unter dem Einfluß eines gestörten Mikrobioms. Ein ähnlicher Effekt ist beim Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreas-Ca) bekannt. 
Wir können also ganz sicher davon ausgehen, daß unser Mikrobiom in seiner Zusammensetzung auch darüber entscheidet, ob wir an Krebs erkranken oder davor geschützt bleiben. Nun gilt es künftig in der Forschung die entsprechenden Keime zu identifizieren und für uns nutzbar zu machen. So würde es mich nicht wundern, wenn die Zukunft der Krebstherapie und der Krebsprophylaxe in der Beeinflussung unseres Mikrobioms zu finden ist.

Wenn wir also diese Zusammenhänge weiterdenken, dann könnte beispielsweise eine gesunde 30-jährige Frau später an Rheuma erkranken, weil sie heute in einer neuen Partnerschaft an einer Blasenentzündung (sog. Honeymoon-Cystitis) erkrankt, ein Antibiotikum verordnet bekommt, das den ersten ökologischen Schaden im Mikrobiom erzeugt und eine weitere Reihe von Blasenentzündungen nach sich zieht. Irgendwann ist das Ökosystem so gestört, daß das Immunsystem sich nur noch mit heftiger oder übertriebener Gegenwehr zu helfen weiß – der Beginn der Autoimmunerkrankung. So könnte es nicht nur sein, so findet es bei sehr vielen Menschen täglich statt!

Ich könnte Ihnen wohl kein anschaulicheres Beispiel für das ganzheitliche Thema „Darm krank – alles“ liefern.

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