Fragen und Antworten

Milch dient allein zur Aufzucht der eigenen Art. Somit gehört Kuhmilch in den Kälbermagen, Stutenmilch in den Fohlenmagen und nur Muttermilch in den Säuglingsmagen.

Dr. med. Jörn Reckel

 

Hilfe, nun vertrage ich auch keine Milch mehr!
Na und, sein Sie entspannt! Milch und Milchprodukte sind ohnehin nicht die gesündesten Nahrungsmittel und werden nur von wenigen Menschen wirklich gut vertagen.

Aber wie kann das sein? Milch gilt doch als so gesund!
Und wer behauptet das? Die Milchindustrie, die mit raffinierten Werbekampagnen über Jahrzehnte uns allen suggestiv eingebläut hat, daß Milch so gesund sei.

Aber es ist doch wissenschaftlich bewiesen, daß die Milch viele wertvolle Inhaltsstoffe hat.
Das wiederholen Ernährungswissenschaftler gebetsmühlenartig. Und es mag ja auch mit Einschränkungen stimmen. Aber was nutzen uns die guten Inhaltsstoffe, wenn die meisten von uns sie nicht vertragen?

Wieso wehrt sich unser Körper gegen ein so wertvolles Nahrungsmittel? Das ist doch dumm!
Nein, das ist es absolut nicht, ganz im Gegenteil! Er wehrt sich mit seinem Immunsystem gegen etwas, was nicht in unseren Organismus gehört. Und das gilt für Milch und Milchprodukte.

Und warum werden ausgerechnet Milch und Milchprodukte so heftig abgewehrt?
Die Antwort können Sie sich selber geben, wenn Sie einmal überlegen, welche natürliche Aufgabe die Milch bei den Säugetieren und bei uns Menschen eigentlich hat. Dann müssen Sie zwangsläufig zu dem Schluß kommen, daß Milch ausschließlich für die Aufzucht der eigenen Art bestimmt ist. Und somit gehört Kuhmilch in den Kälbermagen, und nirgends woanders hin! Und da sich die Zusammensetzung der Milch bei den verschiedenen Säugetierarten und beim Menschen erheblich unterscheidet, vertragen wir Menschen eigentlich nur die Muttermilch gut. Das leuchtet doch ein, nicht wahr?

Seit Generationen bekommen doch Säuglinge und Kleinkinder nach dem Stillen Kuhmilch. Und immer mehr Menschen essen Käse und Joghurt. So viele können sich doch nicht irren?
Ganz offensichtlich doch! Denn anders wären die vielen Nahrungsmittel-Allergien und Intoleranzen nicht erklärbar. Das Problem ist, daß viele dieser Allergien und Intoleranzen nicht sofort Symptome auslösen. Somit wird der Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und dem Milchkonsum nicht deutlich. Deshalb irren so viele!

Was ist denn so Schlimmes in der Milch?
Zum einen ist da der Milchzucker Laktose, den immerhin 80% der Weltbevölkerung nicht verdauen können. Es fehlt diesen Menschen das Enzym Laktase. Sie leiden an der Laktoseintoleranz. Zum anderen sind bestimmte Eiweiße in der Milch, die unser Körper als fremd erkennt und folgerichtig mit seinem Immunsystem im Sinne einer Allergie bekämpft.

Aber die Eiweiße im Schweine- und Rindfleisch sind doch auch fremde Eiweiße für uns und die akzeptiert unser Immunsystem doch auch!
Das ist richtig und doch kein Widerspruch. Wir Menschen sind erwiesenermaßen sogenannte Allesfresser und haben ursprünglich als Jäger und Sammler vom Fleisch erjagter Tiere gelebt. An diese Nahrung haben wir uns über einhunderttausend Jahre gewöhnen können. Es ist in uns genetisch verankert, daß unser Immunsystem der Darmschleimhaut diese Fremdeiweiße toleriert. Wir benötigen für eine derartige Nahrungsmittel-Toleranz gegenüber neuen Nahrungsmitteln mehrere zehntausend Jahre. Milch von Tieren nutzen die Menschen aber erst seit ca. 5000 Jahren, und das die meiste Zeit nur in kleinen Mengen.

Kühe geben doch reichlich Milch. Warum hat man dann nur kleine Mengen genutzt?
Erst seit wenigen Jahrzehnten geben unsere hochgezüchteten Turbokühe so viel Milch, die wir dann auch noch vollständig nutzen können. Denn die ursprünglich nur für die Kälber gedachte Milch wird in der modernen Kälberaufzucht vollständig durch Austauschfutter ersetzt. Nur dadurch war die Entwicklung einer Milchindustrie erst möglich geworden. Früher gaben die Kühe nur so viel Milch, daß man neben dem Säugen der Kälber nur wenig für uns Menschen abzweigen konnte.

Dann ist ja möglicherweise erst der übermäßige Genuß von Milch und Milchprodukten der Grund für die zunehmende Milchunverträglichkeit?
Genau so ist es! Sie haben es erkannt. Wie heißt es so treffend: die Menge macht das Gift oder die Unverträglichkeit. Die Milch ist generell schon ein problematisches Nahrungsmittel. Und ausgerechnet das haben wir Europäer zu einem Grundnahrungsmittel gemacht!

Und die industriell verarbeitete Milch im modernen Tetrapack ist dann womöglich auch problematischer, als früher die frische Milch vom Bauern?
Wohl wahr! Und das ist ganz sicher ein riesiges Problem. Milch ganz allgemein ist physikalisch und biochemisch äußerst labil. Und das darf sie auch ruhig sein, denn sie muß ja eigentlich nur den kurzen Weg zwischen Milchdrüse und Säugling oder Kalb überstehen. Statt dessen ist unsere heutige frische Milch mindestens 5 – 7 Tage alt, wenn sie ins Supermarktregal gestellt wird. Und dann ist sie als moderne sog. „Längerfrische“ noch für weitere 2-3 Wochen haltbar gemacht worden. Und was hat die arme Milch nicht alles auf seinem langen Weg zum Verbraucher ertragen müssen. Von modernen Melkanlagen abgemolken, durch lange Stallrohre gepumpt, tagelang in Kühlbehältern gerührt, in Tankwagen durch die Lande geschaukelt, in der Molkerei mehrfach erwärmt und gekühlt, erhitzt, zerlegt und wieder komponiert, pasteurisiert, homogenisiert und letztlich in Tetrapacks gesperrt. Nicht genug, daß unsere heutige Milch industriell so manipuliert wird, daß sie noch nicht einmal mehr sauer werden kann, beinhaltet sie oft genug Reste von Hormonen, Antibiotika und anderen Chemikalien. Mit der wirklich frischen Milch einer säugenden Kuh vergangener Jahrzehnte hat die heutige Milch allenfalls noch die Farbe gemeinsam!

Pasteurisierung und Homogenisierung sind doch was gutes, denn sie sollen angeblich die Milch keimfrei und leichter verdaubar machen?
Durch Pasteurisierung werden krankmachende Keime weitgehend abgetötet. Das ist richtig. Leider wirkt diese Methode derartig gründlich, daß auch für uns nützliche Kulturen beseitigt werden. Da ist es doch schon verrückt, daß die Milchindustrie Joghurts wieder nachträglich Lebendkulturen zusetzt und diese künstlich erzeugten Naturjoghurts dann als besonders gesund teuer dem Verbraucher anbietet. Die Homogenisierung ist eine völlig unnötige Zerschlagung der Fettkügelchen der Milch zu winzigen Minikügelchen mit dem alleinigen Ziel, den Aufrahmeffekt zu vermeiden. Wir Verbraucher halten irrigerweise die homogene Milch für frischer und verabscheuen zumeist die Fettschicht auf der Milchoberfläche. Da sind wir Verbraucher also selber Schuld. Und wir glauben dann auch noch bereitwillig der Milchindustrie, daß durch die Homogenisierung eine bessere Verdaubarkeit der Milch erzielt werde. Und genau das ist der große Haken an dieser Verarbeitungsmethode. Früher war die inhomogene Frischmilch schwerer verdaubar, sodaß manch belastende Substanz einfach wieder ausgeschieden wurde. Der Fluch der heutigen leicht verdaubaren Milch ist, daß unser Organismus auch viele ungewünschte und krankmachende Milchbestandteile aufnehmen muß.

Könnte das der Grund für die Zunahme der Milchunverträglichkeiten sein?
Ganz sicher ist das eine bedeutsame Ursache. Bessere Verdaubarkeit bedeutet auch leichtere und schnellere Aufnahme von Nahrungsbestandteilen über die Darmschleimhaut in die Blutbahn. Das erscheint beim ersten Gedanken vorteilhaft zu sein. Nun entstehen aber leider bei der industriellen Milchverarbeitung auf unnatürliche Weise u.a. kleine Eiweißspaltprodukte, die unserem Organismus fremd sind. Wenn die dann leichtverdaubar ungehindert durch die Darmschleimhaut gelangen können, wehrt sich unser Immunsystem zu recht gegen das fremde Eiweiß im Sinne einer Allergie oder Intoleranz. Unabhängig davon neigen wir Menschen generell zur Allergiesierung gegenüber Wiederkäuermilch, weil die sich ganz erheblich z.B. durch das zusätzliche ß-Laktoglobulin von unserer Muttermilch unterscheidet.

Wie kann es sein, daß kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Milch und Milchprodukten und bestimmten Beschwerden bestehen muß?
Wir alle kennen die klassischen Allergie-Sofortreaktionen, bei denen unmittelbar mit dem Verzehr eines Allergens oft auf dramatische Weise extremer Juckreiz auftritt, ein Asthmaanfall ausgelöst wird oder der Hals zuschwillt. Noch all zu wenig bekannt sind Nahrungsallergien vom sogenannten Spätreaktionstyp (IgG-Nahrungsmittelallergie), bei dem Stunden oder Tage zwischen Allergenkontakt und den Beschwerden liegen können. Hier kann kein Mensch den Zusammenhang ahnen. Lediglich durch einen speziellen Bluttest (IgG-Test) läßt sich über den Nachweis von Antikörpern der Nachweis zum Beispiel einer Milchallergie erbringen.

Milchunverträglichkeiten sollen überall im Körper Beschwerden auslösen können und nicht nur auf Haut und Schleimhaut. Kann das sein?
Aber ja! Da die Auswirkungen einer allergischen Reaktion sich theoretisch an jeder Körperzelle abspielen können, finden wir auch in solchen Regionen des Körpers allergiebedingte Erkrankungen, wo wir sie eigentlich nicht erwarten würden. Allgemein bekannt sind Asthma, Hautekzeme und Magen-Darm-Störungen. Aber wären Sie darauf gekommen, daß allgemeine Infektanfälligkeit, Mittelohrentzündungen bei Kleinkindern, Autoimmunerkrankungen, Übergewicht, Depressionen oder Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern eine nahrungsmittelallergische Ursache z.B. durch Milch haben können?

Stimmt es, daß Milch sogar krebsauslösend sein soll?
Leider ist das wohl mehrfach insbesondere beim Prostata-Karzinom nachgewiesen worden. Auffällig ist auch im Gegensatz zu den milchintoleranten Asiaten die Häufung von Brust- und Prostata-Krebs in den westlichen Ländern mit hohem Milchkonsum. Nun ist das alles auch gar nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die Milch für die Aufzucht und das Wachstum der Jungtiere gedacht ist. Deshalb beinhaltet die Milch auch ganz bestimmte Wachstumsfaktoren, die auch beim Menschen wirksam sein können. Und was für das Längenwachstum der Jungtiere gut ist, kann auch beim erwachsenen Menschen für Tumorwachstum wirksam sein.

Aber ohne die Milch und Milchprodukte bekomme ich irgendwann Osteoporose! Dann habe ich keine Allergie mehr und verhindere vielleicht Krebs. Dafür werde ich krumm und schief und breche mir die Knochen. Kein wirklich guter Tausch – oder?
Oh Gott, nun kommt das ewige Klagelied zur Osteoporosegefahr. Man sollte den Werbekampagnen der Milchindustrie wirklich einen Oskar verleihen. Denn sie hat in den meisten Köpfen Leitsätze ohne Wahrheitsgehalt so fest eingebrannt, daß sie schon wie unumstößliche Naturgesetze erscheinen. Effektiver kann Werbung wohl kaum sein, aber auch nicht gefährlicher! Einer dieser Leitsätze lautet: „Ohne Milch bekomme ich Osteoporose“.
Bei diesem äußerst wichtigen Thema sollten Sie einen Moment verharren, alles bisher Gehörte und Gelesene beiseite lassen und vorurteilsfrei nachdenken. Zunächst sollten Sie sich fragen, wie wir Menschen über mehr als 1 Million Jahre uns ohne Milch so weit entwickeln konnten. Denn die Milch nutzen wir ja bekanntlich erst seit ca. 5000 Jahren sozusagen in der letzten Minute der Menschheitsgeschichte. Merken Sie bereits, auf welch schwachen Beinen der Osteoporoseschutz durch Milch steht? Aber es kommt noch besser. Wußten Sie, daß ca. 80% der Weltbevölkerung keine Milch vertragen und ausgerechnet in den milchfreien Ländern insbesondere Asiens Osteoporose nahezu unbekannt ist? Was sagen Sie nun? Hier kann doch nun wirklich niemand ernstlich behaupten, daß wir alle ohne Milch und Milchprodukte zwangsläufig Osteoporose bekommen werden. Diese Sorge können Sie aller Milchwerbung zum Trotz getrost vergessen.

Gut. Vergessen wir das Thema Osteoporose. Wie soll ich aber meinen Calciumbedarf decken, wo doch in der Milch das meiste Calcium enthalten ist?
Da haben wir den nächsten falschen Leitsatz: „Nur über die Milch erhalte ich genug Calcium“.
Zugegeben, in der Milch haben wir im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln einen relativ hohen Gehalt an Calcium. Aber ganz offensichtlich muß es noch genügend andere Calciumquellen in unserer Kost geben, wie uns die milchfrei lebenden Asiaten und Afrikaner beweisen. Aber auch die vielen Milchallergiker in unserem Land sind Beweis genug, wie man sich auch ohne Milch fit und leistungsfähig fühlen kann. Aber noch eine ganz andere Frage muß gestellt werden. Können wir die Menge Calcium aus der Milch überhaupt vollständig nutzen? Nicht immer können wir gewinnen, was in der Kost drin ist. Die Frage nach der Nutzbarkeit ist nämlich durchaus berechtigt, da Milch eiweißreich ist. Größere Eiweißzufuhr führt im Körper leicht zur Übersäuerung und damit zu einer unlöslichen Bindung des Calciums, das bei Säureüberschuß über die Niere ausgeschieden wird. Um Calcium erfolgreich nutzen zu können, benötigen wir bekanntlich das Vitamin D und ausreichend Licht. Die meisten Menschen haben aber in unseren Breitengraden zumindest im Winter einen erheblichen Vitamin D-Mangel. Weiterhin benötigen wir zur optimalen Calciumnutzung Vitamin B6 und Magnesium. Auch bei diesen beiden Vitalstoffen herrscht ein weitverbreiteter Mangel. Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß ausgerechnet diese drei wichtigen Vitalstoffe in der pasteurisierten Milch kaum noch enthalten sind! Sie sehen, so weit her ist es mit dem Milchcalcium nicht.
Nach all dem bisher gesagten können Sie sich selbst denken, was man von dem bekanntesten Werbespruch zur Milch zu halten hat: „Milch macht müde Männer munter“.

Sollten wir alle künftig auf Milch und Milchprodukte gänzlich verzichten?
Selbstverständlich nein, es sei denn, Sie sind Milchallergiker oder haben eine Laktoseintoleranz. Wie gesagt, die Menge macht das Gift. Wer gesund ist, wem Joghurt oder Käse schmeckt und bekömmlich ist, und wer alles in Maßen zu sich nimmt, der braucht sich keine Sorgen um seine Gesundheit machen. Er sollte sich nur darüber im Klaren sein, daß Milch und alle Milchprodukte keine uneingeschränkt gesunden Nahrungsmittel sind.
Die Quintessenz aus allem: wer wegen einer Milchunverträglichkeit auf Milch und Milchprodukte verzichten muß, der läßt nur weg, was ohnehin nicht sehr gesund ist.
Sollten Ihnen nun Zweifel gekommen sein, daß vielleicht doch so manches körperliche Symptom durch eine Milcheiweiß-Allergie oder durch eine Laktoseintoleranz ausgelöst sein könnte, dann schaffen Sie Klarheit mit einer Speziallaboruntersuchung.