Dominoeffekte aus dem kranken Darm

Menschen mit einem gesunden Darm und einem ungestörten Darmmilieu ahnen meist nicht, welch ein Glück sie haben und wie gut es ihnen geht.

Leider weiß man seine Gesundheit erst dann wirklich zu schätzen, wenn man sie verloren hat. Und das gilt in besonderem Maße für die Darmgesundheit. Solange man keine Bauchschmerzen und keinen Blähbauch hat, schenkt man seinem Darm keine Beachtung. Ohne in unser Bewußtsein zu gelangen arbeitet er klaglos vor sich hin – bis das Ökosystem kippt. Das kann unmerklich langsam geschehen, wie bei lang anhaltendem Streß oder komplexeren Kostumstellungen. Es kann aber auch den abrupten Mikroökologischen Supergau unter Einnahme von Antibiotika oder durch einen massiven Infekt geben.

Ob schnell oder langsam, es läuft immer auf eine mehr oder weniger krasse Fehlbesiedlung (Dysbiose) mit Gärung und Fäulnis hinaus, die uns das Leben zur Hölle machen kann. Welche Folgen das haben kann, das lassen Sie uns am Beispiel einer Antibiotikabehandlung einmal gedanklich durchspielen. Bei ca. 40 Millionen verordneter Packungen pro Jahr in Deutschland dürfte sich leider dieses im folgenden beschriebene Scenario sehr häufig, wenn auch meist von Patient und Arzt nicht erkannt und beachtet, abspielen.

Zwei dramatische Konsequenzen hat die Antibiotikaeinnahme auf jeden Fall. Die gewünschten aeroben (sauerstoff-freundlichen) Kulturen gehen in die Knie, da die zumeist in der Infektbehandlung angewendeten Antibiotika gegen aerobe Erreger wirksam sind. Der Verlust an diesen gewünschten Aerobiern schwächt in erster Linie die Immunabwehr der Darmschleimhaut. Es können u.a. weniger sog. sekretorische IgA-Antikörper gebildet werden, die alle Schleimhäute (auch in Atem- und Harnwegen!) im Körper schützen sollen. Ja, Sie haben ganz richtig gelesen. Das intakte Darmschleimhaut-Immunsystem bildet ca. 90% aller sIgA-Antikörper! Welch eine Ironie also, wenn wir zur Behandlung eines Infektes mit den Antibiotika unser Immunsystem schwächen und u.U. damit den nächsten Infekt heraufbeschwören. Der erste Dominostein ist gefallen und reißt gleich weitere mit um. Leider bleibt es nämlich nicht nur beim Verlust der gewünschten Kulturen. Es kommt gleichzeitig zur verstärkten Vermehrung von anaeroben (sauerstoff-feindlichen) Gär- und Fäulniskeimen, die das Antibiotikum nicht getroffen hat – sozusagen die „Harten kommen in den Garten“. Nun herrscht zunehmend ein mieses Milieu von Gärung und Fäulnis, was die gewünschten anaeroben Bifido- und Laktobazillen in ihrer Entwicklung behindert und deren Zahl sinken läßt. Damit finden gleich wieder mehrere Kettenreaktionen gleichzeitig statt. Mit dem Verlust der gewünschten Anaerobier wird auch deren Schutz- und Barrierefunktion auf unserer Schleimhaut geschwächt. Krankmachende Keime haben es nun leichter uns zu attackieren. Außerdem kommen uns die Gär- und Fäulniskeime noch näher, reizen unsere Schleimhaut und überschütten uns mit toxischen Stoffwechselprodukten aus alkoholischer Gärung und Fäulnis. Die Rede ist von der enteralen Autointoxikation, Sie wissen es!

Spätestens jetzt kommen die ersten Bauchschmerzen auf. Die Schleimhaut wehrt sich und aktiviert die Darmmuskulatur. Wir bekommen Krämpfe. Unter der stetigen Gasbildung aus Gärung und Fäulnis treibt der Darm auf und die Beschwerden nehmen zu. Wir fühlen uns zunehmend schlapp, müde und unkonzentriert, weil das Immunsystem auf Hochtouren laufend ebenso Kraft abzieht, wie die forcierte Entgiftung von Leber und Nieren. Setzt sich dieses Scenario fort, wird der nächste Dominostein die Darmschleimhaut noch viel heftiger Treffen. Denn diesen Belastungen kann sie nicht ewig standhalten. Irgendwann gehen die ersten Schleimhautzellen in die Knie, was wieder mehrere Kettenreaktionen zur Folge hat. Einerseits können geschädigte Schleimhautzellen nicht mehr genügend Nähr- und Vitalstoffe aus dem Darm in die Blut- und Lymphbahn transportieren, was uns verständlicherweise zusätzlich und langfristig schwächt. Zum anderen entstehen zwischen geschädigten und geschrumpften Schleimhautzellen winzige Lücken. Die natürlicherweise vorkommenden Verbindungszonen zwischen den Zellen weichen auseinander. Und nun können wie bei einem Dammbruch ungehindert und unkontrolliert alle möglichen Stoffe (Toxine, Allergene, Eiweißanteile) in unseren Organismus gelangen und uns massiv schädigen. Diese sog. Durchlässigkeitsstörung der Darmschleimhaut wird neudeutsch auch Leaky Gut Syndrom genannt.

Sie können sich denken, was nun kommt – es fallen viele weitere Dominosteine.

Ein ganz gewichtiger ist die Entstehung von erworbenen Nahrungsmittel-Allergien vom sog. IgG-Typ. Sie können sich gewiß vorstellen, welch einen Alarm so ein Dammbruch an der Schleimhaut im Immunsystem auslösen muß. Überschüttet mit den bedrohlichsten Stoffen könnte so ein Leaky Gut Syndrom schlimmstenfalls sogar unser Leben bedrohen. In freier Wildbahn gibt es kein Cortison, das hier vielleicht kurzfristig helfen könnte. Nein, hier muß sich der Körper schon selber helfen. Und immer, wenn ihn etwas Eiweißhaltiges bedroht, dann greift er zur bewährten Abwehr durch Antikörperbildung. Sozusagen unmittelbar an der Dammbruchstelle werden diese IgG-Antikörper von unseren weißen Blutkörperchen gebildet und kursieren in der Blutbahn, wo man sie labortechnisch sicher nachweisen kann.

Die Darmschleimhaut reagiert aber auch auf ihrer Oberfläche mit Antikörperbildung, sofern sie gereizt ist. So wehrt sich der Organismus beispielsweise mit Gliadin-Antikörpern gegen das Gluten diverser Getreide.

Sie können sich gewiß lebhaft vorstellen, wie viel Kraft die Abwehr von Nahrungsmitteln den Körper kostet. An dieser Stelle haben wir abermals den Effekt, daß gleich fünf Dominosteine gleichzeitig fallen. 1. Wir können die Energie aus den Nahrungsmitteln nicht nutzen. 2. Wir stecken statt dessen Energie in die Abwehr mittels Antikörperbildung. 3. Die in den abgewehrten Nahrungsmitteln enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe gehen uns verloren. 4. Wir füttern mit den abgewehrten Nahrungsmitteln Gär- und Fäulniskeime. 5. Und die bedanken sich mit toxischen Stoffwechselprodukten, die wir noch für sie entgiften müssen.

Noch Fragen? Und da sag noch einmal jemand, daß ein Blähbauch eigentlich ganz harmlos ist. Das ist durchaus möglich, aber nicht selten verbirgt sich dahinter eine Störung, die den gesamten Organismus belastet. Man muß davon ausgehen, daß jeder 3., wenn nicht sogar jeder 2. in Deutschland an Darmproblemen leidet, die zumeist mit einem gestörten Ökosystem einhergehen. Die Dunkelziffer ist hier vermutlich sehr groß, da der Blähbauch in der Medizin zumeist als Befindlichkeitsstörung abgetan wird und somit statistisch nicht verläßlich erfaßt wird.

Wie viele Menschen haben sich von der Medizin allein gelassen mit einem nervenden Blähbauch abgefunden, werden aber großzügig wegen depressiver Stimmungslage mit Antidepressiva versorgt. Dabei könnte in unserem Dominospiel die Folge von Gärung und Fäulnis und die damit verbundene Reizung der Schleimhaut zu einer Synthesestörung des Serotonins geführt haben. In dem Fall wäre statt der Verordnung eines Antidepressivums eine konsequente Darmsanierung die ursächliche und richtige Behandlung!

Dieses ist nur ein kleiner Einblick, der aber schon die Konsequenzen verdeutlicht, wenn das riesige und komplexe Regulationssystem des Körpers aus dem Gleichgewicht kommt. In diesem kleinen Kapitel haben wir die oft grauenvollen Folgen eines an chronischer Colitis (Dickdarmentzündung u.U. mit blutenden Geschwüren) Erkrankten noch gar nicht berührt.

Der Vollständigkeit halber sollte beim Thema Antibiotika-Verordnung noch erwähnt werden, daß diese Medikamente möglicherweise eine sog. „Antibiotika assoziierte Colitis“ auslösen können. Dabei wird nicht nur das Mikrobiom geschädigt, sondern ein ganz besonders toxinbildender entzündungsauslösender Keim namens Clostridium difficile in der Entwicklung gefördert, der immer wieder zu Todesfällen führt.

Eines sollte jedem klar geworden sein. Isolierte Erkrankungen eines einzelnen Organs gibt es allenfalls bei einfachen Verletzungen – wenn überhaupt. Jede Zelle unseres Körpers reagiert und leidet, wenn in welchem Organsystem auch immer eine Funktionsstörung oder Krankheit entsteht.

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