Normwerte in der Medizin sind zweifellos unverzichtbar. Ob Gewicht, Blutdruck oder Laborwerte, ohne Kenntnis der Norm ist eine Abweichung in Form einer Krankheit oder eines Gesundheitsrisikos nicht definierbar.

Aber wie genau sind diese Normwerte, wenn sie weder die individuelle Konstitution, das Alter noch das Geschlecht jedes einzelnen berücksichtigen?
Wollen Sie bei den offensichtlichen Unterschieden von Mann und Frau allen Ernstes annehmen, daß beide dieselben medizinischen Normwerte aufweisen? Natürlich nicht, aber davon wird Tag täglich in den Praxen und Kliniken ausgegangen! Denn von den Sexualhormonen einmal abgesehen wird in der Medizin weder bei Mann oder Frau noch bei jung oder alt ein Unterschied gemacht.
Zu allem Überfluß stammen die meisten Normdaten von gesunden jungen bzw. mittelalten Männern (aus einer Zeit, in der der Mann das Maß aller Dinge zumindest in der Medizin zu sein schien).

Aber ist der Unterschied zwischen Mann und Frau in den medizinischen Normdaten wirklich so geringfügig, daß man immer noch Einheitsdaten zugrunde legt? Ganz sicher nein!
So beobachtet man regelmäßig, daß Frauen in der Behandlung meist mit deutlich geringeren Medikamentenmengen auskommen als Männer. Insbesondere in Hinblick auf eine potentielle Schwangerschaft ist offensichtlich die generelle Verwertung von Nährstoffen und natürlich auch Medikamenten erhöht. Allein aus diesem Grund schon müssen die Normdaten von Mann und Frau differieren.

Aber auch die Normdaten für das Immunsystem müssen überdacht werden. Ganz offensichtlich reagiert zumindest bei menstruierenden Frauen das Immunsystem rascher und heftiger, was in der Schwangerschaft und Stillzeit mehr als hilfreich ist. Es führte aber laut einiger Studien u.a. gehäuft zu Nebenwirkungen nach der Coronaimpfung in Form übermäßiger Antikörperbildung. Dieses erklärt auch, warum Frauen mehr als Männer verstärkt zu Autoimmunerkrankungen neigen.
Hier finden wir ein sehr anschauliches Beispiel dafür, daß bei Laboruntersuchungen des Immunsystems bei Frauen zumindest bis zur Menopause ganz offensichtlich erhöhte Werte für die Antikörperbildung eher als normal angesehen werden müssen, auch wenn das Labor sie als überhöht darstellt.

Ganz offensichtlich gibt es auch erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms bei Mann und Frau, was auch bei der Bewertung von Stuhluntersuchungen berücksichtig werden sollte. Zumindest einige Probiotikahersteller in den USA  tragen diesem Umstand Rechnung und bieten Produkte mit unterschiedlicher Zusammensetzung an.

Mein Rat:

Normwerte in der Medizin sind unverzichtbar, sollten aber mit einer gewissen Vorsicht vor Überbewertung betrachtet werden. Individuelle Normabweichungen sind offensichtlich häufiger als wir bisher angenommen haben. Ein Ehepaar, daß seine zur gleichen Zeit abgenommenen Laborwerte vergleicht, sollte gewisse Differenzen nicht auf die Goldwaage legen.
Und wir Therapeuten sollten uns unbedingt davor hüten die Laborwerte eines Patienten zu behandeln, statt ihn mit all seinen individuellen Facetten.