Stellen Sie sich einmal vor, Sie lebten in einem Staat, in dem eine zunehmende Kriminalität nicht mehr beherrschbar ist. Um das Land zu retten entscheidet man sich die gesamte Bevölkerung aus dem Land zu treiben und durch eine vermeintlich friedlichere auszutauschen. Etwas vereinfacht dargestellt müssen Sie sich auch den Vorgang der Stuhltransplantation vorstellen. Das entscheidende Problem bei diesem Manöver ist, wie man bei der neuen Bevölkerung ausschließen kann, daß nicht wieder Kriminelle mit umziehen. Wie soll man jedes neue Bevölkerungsmitglied vor dem Umzug überprüfen und wie erkennt man verborgene kriminelle Neigungen? Und werden sich alle im neuen Staat gleichermaßen wohlfühlen?
Und genau das ist auch das Problem bei der Stuhltransplantation! Ich befasse mich nun fast 40 Jahre mit dem Mikrobiom, lese viele Studien und wissenschaftliche Abhandlungen und muß bescheiden feststellen, daß wir über das Mikrobiom noch sehr viel nicht wissen. Auf jeden Fall wissen wir ganz sicher nicht genug, um ein so heroisches Manöver wie die Stuhltransplantation sicher durchzuführen. Ich gebe auch zu bedenken, daß die meisten Daten zu diesem Verfahren aus Studien an Mäusen stammen. Die Datenlage bei Menschen ist extrem dünn.
Warum diese Behandlung trotz der vielen Ungereimtheiten fast schon zu einem Hype geworden ist, ist mir absolut schleierhaft. Selbst zum Zweck der Gewichtsreduktion werden Stuhltransplantationen von schlanken Spendern erwogen. Das ist wahrlich nicht zu fassen.
Nun haben sich erste Ärzte aus der Deckung gewagt und in einem Fachartikel in der Fachzeitschrift Cell Bedenken geäußert, ob es nicht möglicherweise bei der oral durchgeführten Transplantation zu einer erheblichen Fehlbesiedlung im Dünndarm kommen könnte. Immerhin werden in erster Linie sauerstofffeindliche Dickdarmbakterien übertragen, die im Dünndarm nichts zu suchen haben.
Da kann ich nur applaudieren. Natürlich kommt es dort zu Fehlbesiedlungen. Aber weit heftigere Probleme sind beim Immunsystem der Darmschleimhaut zu erwarten, das sich in enger Symbiose auf die bisherige Besiedlung eingestellt hat. Wie das Immunsystem auf die neuen Keimarten reagieren wird, kann keiner voraussagen. Da mag das Spendermikrobiom noch so akribisch auf Eignung untersucht worden sein. Das vom Spender als unproblematisch beurteilte Mikrobiom kann beim Empfänger auf ungeahnte Gegenwehr stoßen und vielleicht Entzündungen auslösen. Und wer kann vorhersagen, ob artige Spenderbakterien beim Empfänger nicht entarten und rebellisch oder krankmachend wirken?
Bei einem Mikrobiom, das aus mehreren hundert Billionen Bakterien und ca. 1000 Bakterienarten besteht und das bei jeden Menschen so individuell wie sein Fingerabdruck zusammengesetzt ist, sollten wir bescheiden erkennen, daß wir das wahrscheinlich nie ganz verstehen werden. Und darum warne ich dringend davor diese „Büchse der Pandora“ zu öffnen. (In der griechischen Mythologie wird Pandora von Zeus dringend gewarnt eine bestimmte Büchse zu öffnen. Sie tat es dennoch und es entwich alles Übel wie auch schreckliche und tödliche Krankheiten).
Mein Rat:
Sollten Sie je in die Verlegenheit kommen eine Stuhltransplantation zu erwägen – lassen Sie es!!!
Mein Rat an uns Therapeuten:
Bei der therapieresistenten Clostridium difficile Infektion gilt die Stuhltransplantation als eine bewährte Methode in der Gastroenterologie. Allerdings werden die Möglichkeiten der Mikroökologischen Therapie gar nicht erst erwogen.