Immer wieder begegne ich älteren Patienten in der Sprechstunde, die sich schlapp, antriebslos, vergeßlich und häufig schwindlig fühlen. Bei einem Besuch beim Hausarzt oder Internisten finden sich altersentsprechende Befunde und es erfolgt nicht selten der Hinweis, daß man schließlich nicht mehr zwanzig sei. Allein diese Aussage ist frech und sehr unüberlegt, denn das führt nicht selten dazu, daß die Patienten sich damit abfinden und aufgeben weiter nach einer Erklärung für Ihre Beschwerden zu suchen.
Dabei ist die Diagnose absolut nicht schwer. Beim Blick auf den Medikamentenplan und das Blutdruckmeßgerät hat man oft schon die Antwort: Der Blutdruck ist medikamentös einfach zu scharf eingestellt!

Ein gemäß den Leitlinien der Medizin geforderter Blutdruck von systolisch 110-130 und diastolisch unter 90mmHg berücksichtigt nicht die besonderen Durchblutungssituationen des über 65-jährigen Patienten!

Nun veröffentlichte die Universität von Manitoba in Winnipeg/Canada Studienergebnisse an immerhin 16700 über Jahre beobachteter über 65-jähriger Patienten. Und kam zu dem Schluß, daß bei Blutdruckwerten von 130-150/ <90mmHg weniger Schlaganfälle und Herz-Kreislaufstörungen auftraten als bei schärfer eingestellten Patienten!
Mein Lieblingssatz „Es kann nicht schaden in der Medizin nachzudenken“ wird hier wieder einmal bestätigt. Für das Herz und alle abschüssigen Regionen des Körpers dürfte auch ein niederer Blutdruck noch ausreichen, nicht aber bergauf zum Gehirn! Ganz einmal davon abgesehen, daß die Blutgefäße bei einem älteren Patienten nicht mehr so weit und elastisch sind und folglich für den Durchfluß mehr Druck brauchen. Sonst kommt einfach im Gehirn nicht mehr die gewünschte und notwendige Menge Blut an. Und das verursacht bestenfalls Schwindel, Konzentrationsstörungen und auch Vergeßlichkeit, aber wenn Sie Pech haben auch einen Schlaganfall! Wenn beim 30-Jährigen noch 110 zu 70 reichen, brauchen älteren Menschen einen deutlich höheren Druck für gute Hirnfunktionen.

Dabei spielt dann natürlich noch die Art der blutdrucksenkenden Medikamente eine besondere Rolle. So können Entwässerungsmittel das Blutvolumen so reduzieren, daß oben einfach nicht mehr genug ankommt. Ein ganz besonderes Thema sind die sog. Betablocker, die man in der Regel bei über 65-Jährigen ohnehin möglichst nicht mehr verordnen sollte – es sei denn es bestehen Herzrhythmusstörungen! Sie können verläßlich den Blutdruck senken – aber leider auch den Puls. Was bei jüngeren Menschen noch vom Körper relativ gut kompensiert werden kann, gelingt dem Älteren oft nicht mehr. Bekanntlich brauchen wir einen Basisdruck für die Versorgung unseres Organismus. Sinkt der zu sehr ab, kann der Körper mit einer Pulserhöhung einen Leistungsabfall verhindern. Diese Reaktion wird aber vom Betablocker verhindert, weil er Blutdruck und Puls gleichermaßen senkt. Die Folge sind Durchblutungsstörungen auch unseres Gehirnes.

Mein Rat:

Lassen Sie sich nicht von den strikten Leitlinien einschüchtern, sondern finden Sie für sich den individuellen Blutdruck, der Ihnen gut tut. Systolisch 130-150 (in der Spitze auch einmal 160) und diastolisch um 90 oder niedriger ist i.d.R. die beste Einstellung für eine bessere Lebensqualität!