Im Sinne des „Darm krank – alles krank“ wissen wir schon länger auch vom Einfluß unseres Darmmikrobiom auf unserer Gehirn. Mittlerweile gibt es kaum noch Zweifel, daß beispielsweise die Multiple Sklerose u.a. durch Fehlbesiedlungen im Darm ausgelöst wird. Das gleiche gilt für diverse psychische Erkrankungen wie z.B. der Depression, der eine Störung des Serotoninhaushaltes zugrunde liegt. Dabei muß man wissen, daß unser Darm zu 95% an der Serotoninsynthese beteiligt ist – wenn er gesund ist!

Die sog. Darm-Hirn-Achse wurde bisher überwiegend in Hinblick auf Erkrankungen untersucht. Neuere Studien befassen sich nun zunehmend mit dem gesunden Menschen und mit Zusammenhängen zwischen Darmmikrobiom und Persönlichkeit. So fanden koreanische Forscher bei emotional labilen und weniger gewissenhaften Personen ein Überwiegen von bestimmten Fäulniskeimen, einen Mangel an buttersäurebildenden Bakterien und generell eine geringere Artenvielfalt (Diversität). Man postuliert, daß sozial verträglichere Menschen für eine gesündere pflanzenreiche Ernährung aufgeschlossen sind und damit die Diversität hoch halten.
Dazu passen die Studienergebnisse aus der University of Oxford, wonach bei kontaktfreudigen Menschen häufiger die Bakteriengattungen Akkermansia, Lactococcus und Oscillospira im Mikrobiom zu finden waren und generell eine hohe Diversität bestand, während Gattungen wie z.B. Suterella bei eher weniger kontaktfreudigen Menschen mit geringerer Diversität gehäuft vorkamen. Diese Ergebnisse decken sich mit der anderer Studien, die eine ähnliche Konstellation bei Autismus beschreiben.
Die Entwicklung unseres Mikrobioms unterliegt diversen Einflüssen, wobei offensichtlich von Haus aus kontaktfreudigere Menschen einen höheren sozialen Austausch pflegen und sich daraus ein Mikrobiom mit immer größerer Diversität entwickeln kann. Händeschütteln, Umarmen oder Küssen fördern diese Mikrobiomentwicklung, während sozial verarmte Menschen eher unter einer reduzierten Diversität leiden.

In diesen Studien konnten somit Hinweise gefunden werden, daß Unterschiede im Sozialverhalten in der Bevölkerung in hohem Maße auch von der Zusammensetzung und Diversität des Darmmikrobioms jedes einzelnen bestimmt wird. Natürlich muß man sich kritisch fragen, was Ursache und was Wirkung ist. Diverse Studienergebnisse legen aber nahe, daß das Mikrobiom die ursächliche Rolle spielt.
Dafür sprechen auch die Ergebnisse diverser Tierstudien. So konnte man das Sozialverhalten von normal reagierenden Mäusen ändern, nachdem man Ihnen Stuhl von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen implantierte. Sie mieden fortan Kontakte zu ihren Artgenossen. Der Grund dafür ist eine besondere Mikrobiomkonstellation bei autistischen Menschen. Deren Darmbakterien stellen weniger der Aminosäure Taurin her, die für die Synthese des beruhigend und angstlösend wirkenden Neurotransmitters GABA ( Gamma-Aminobuttersäure) erforderlich ist.
Der Anteil an Milchsäurebakterien in unserem Mikrobiom ist es offensichtlich, der unser Erleben und unsere Reaktionen unmittelbar positiv beeinflußt. In Studien konnte nachgewiesen werden, daß eine die Milchsäurebakterien und die Diversität fördernde Kost aus ausreichend Gemüse, Obst und fermentierter Nahrung die Probanden streßresistenter und gelassener machte.

Meine Beobachtungen in der Praxis:

Während und nach einer erfolgreichen Mikroökologischen Behandlung verloren viele meiner Patienten nicht nur Ihre Darmbeschwerden, sondern gewannen auch psychisch, in dem sie Ihre Lebensfreude wiedergewannen – vielleicht, weil sie wieder ausreichend Serotonin und GABA bildeten.