Ich frage mich mittlerweile ernstlich, welche Überraschungen unser Mikrobiom noch so zu bieten hat. Wahrscheinlich wird unser gesamtes Denken und Fühlen auch von Stoffwechselprodukten unserer Darmbakterien bestimmt, so wie unser Mikrobiom darüber entscheidet, auf was wir Appetit haben und essen werden.

Nun also ist auf jeden Fall der wissenschaftliche Beweis erbracht, daß bestimmte Darmbakterien unser Lebensalter beeinflussen können.
Gedanken über das „ewige Leben“ sind so alt wie die Menschheit. Schon immer trieb es die Menschen um nach lebensverlängernden Maßnahmen zu suchen. Der Phantasie waren da kaum Grenzen gesetzt. Besonders Berichte zumeist aus Japan über vitale Hundertjährige führen unweigerlich zu Fragen nach dem warum. Dabei fällt immer auf, daß ein einfaches, eher karges und oft sogar entbehrungsreiches Leben in einem nicht besonders hygienischen Umfeld als Lebensgrundlage beschrieben wird. Dazu möchte ich anmerken, daß vermutlich gerade diese bescheidenen Lebensbedingungen sich eher günstig auf die Stabilität und Diversität eines starken Mikrobioms auswirken.

Seit einigen Jahren nimmt sich nun zunehmend die Wissenschaft der Frage an, ob möglicherweise unser Mikrobiom mit entscheidet wie alt wir werden.
Diese Überlegungen halte ich übrigens auch ohne Wissenschaft allein mit gesundem Menschenverstand schon für durchaus wahrscheinlich. Immerhin sorgt ein intaktes diverses Mikrobiom und eine damit gesunde Darmschleimhaut für eine optimale Nutzung der Nährstoffe, eine gute Entgiftung und einen verläßlichen Schutz vor Umweltbelastungen und Infektionen. Und wenn man dann dadurch seltener krank wird, kaum das Mikrobiom und die Schleimhaut schädigende Medikamente wie Antibiotika einnehmen muß und aufgrund bescheidener Lebensweise keine industrielle Kost zu sich nimmt, dann mag man wohl gesund alt werden!

Und genau das scheint nun in noch laufenden Studien die Wissenschaft herauszufinden. Dabei ist die wichtigste Erkenntnis, daß gesunde Hundertjährige ein anderes Mikrobiom aufweisen als gleichaltrige Kranke. Neben der hohen Diversität haben diese Personen einen auffallend hohen Bestand an ballaststoffspaltenden Bifidobakterien. Das ist um so bemerkenswerter, da gerade der Bestand dieser Bakterien i.d.R. im Alter bei den meisten Menschen normalerweise abnimmt. Übrigens ist das allein ein guter Grund sich im Alter das Darmmikrobiom einmal untersuchen zu lassen und gegebenenfalls fehlende Kulturen zu ersetzen.

Aber was haben unsere Darmbakterien nun mit unserem Älterwerden zu tun? Die Antwort ist sicher so komplex wie unser Mikrobiom, denn noch laufende Forschungen erstrecken sich über genetische, immunologische und stoffwechselbeeinflussende Faktoren.
Eines wissen wir aber schon heute. Unsere Ernährung und damit das Futter unserer Darmbakterien wie z.B. der Bifidobakterien stellt einen ganz entscheidenden Faktor dar!
Exemplarisch dafür ist eine in der Fachzeitschrift Cell Reports Medicine veröffentlichte Dokumentation an einer 116-jährigen Katalanin, die sich bis zu Ihrem Tod mit 117 Jahren ein Jahr lang der Altersforschung zur Verfügung stellte. Einmalig für die Wissenschaft eröffnete sich hier die Chance anhand wiederholter Untersuchungen von Blut, Speichel, Urin und Stuhl einschließlich des Darmmikrobioms Erklärungen für das hohe Alter zu finden.
In den Stuhlproben fanden sich eine erstaunlich hohe Diversität, ein hoher Bestand u.a. an Bifidobakterien und eine besonders aktive Verwertung der Ballaststoffe. Die dabei entstehenden kurzkettigen Fettsäuren, besonders hervorzuheben die Propionsäure, schützen in sehr hohem Maße vor Arteriosklerose und somit vor Herz- und Hirninfarkten. Damit ging die Seniorin mit fast jugendlichen Blutgefäßen ins hohe Alter.
Folglich fragte man sich, mit welcher wundersamen Lebensführung und Ernährung sie und ihr Mikrobiom so alt werden konnte. Überraschenderweise lebte die Katalanin in sehr bescheidenen Verhältnissen, hatte zwei Weltkriege und Pandemien wie die Spanische Grippe und Corona überlebt. Entscheidend war ihre Ernährung, die aus viel Obst, Gemüse und einem täglichen Joghurt bestand. Mit den vielen Ballaststoffen und dem milchsauren Naturjoghurt pflegte sie ihr hervorragendes Mikrobiom – und das hielt sie zum Dank so lange am Leben.
So einfach kann das sein!

Was lernen wir daraus?

Entscheidend ist ein möglichst diverses Darmmikrobiom, dem es übrigens völlig gleichgültig ist, ob unsere Ernährung vegan, vegetarisch oder omnivor ausgerichtet ist! Neben fermentierten Nahrungsmitteln wir Joghurt oder Kefir zählt allein die Ballaststoffmenge aus Obst, Gemüse oder Vollkorn (gern 30 – 50 Gramm tgl.)! Natürlich sollten diese Lebensmittel möglichst vielseitig, naturbelassen und nicht industriell verarbeitet sein – sozusagen aus dem Garten oder vom Markt in den Mund bzw. in den Kochtopf.
Und vielleicht sollten Sie auch einmal das Mikrobiom mittels einer Stuhlprobe bestimmen lassen!