Keine Diagnose in der Inneren Medizin hat z.Zt. eine derartige Präsenz in der Fach- und Boulevardpresse wie der Reizdarm bzw. das Reizdarmsyndrom. Laut den Abrechnungen der Krankenkassen werden dort mehrere Millionen Reizdarmkranke gelistet. Da muß die Frage erlaubt sein, ob all diese Kranken tatsächlich an ein und derselben Krankheit leiden. Oder ist die Diagnose so unscharf definiert, daß der Begriff Reizdarmsyndrom nur als Sammeltopf für diverse Darmbeschwerden dient?
Gewiß, wie haben in der Medizin eine Definition, was man unter Reizdarm zu verstehen hat: „Sofern man organisch gesund ist, aber über mehr als drei Monate von Meteorismus (Blähbauch), heftigen Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung gequält wird, dann leidet man an einem Reizdarmsyndrom.“
Aber das Problem ist, daß sehr viele unterschiedliche Darmstörungen dieselben Symptome aufweisen können! Also ist das Reizdarmsyndrom doch nur ein mehr oder weniger nichtssagender Sammeltopf ohne Hinweis auf die individuelle Ursache der Beschwerden.
Reden wir also nicht drumherum, es ist eine Verlegenheitsdiagnose, weil nun einmal ein guter Therapeut eine Diagnose zu stellen hat!
Um eine Fehldiagnose zu vermeiden oder eine entscheidende Ursache zu übersehen, sollte man einerseits neben Darmschleimhautstörungen (Leaky-gut, Malabsorption etc. im Stuhl bestimmbar) vor allem an Nahrungsmittelintoleranzen denken (ausgelöst u.a. durch Histamin, Fruktose, Laktose, Laktulose, Sorbit oder IgG-Nahrungsmittelallergien). Immerhin hat man in großen Kohortenstudien nachweisen können, daß ca. 90% aller „Reizdarmpatienten“ unter einer Kohlenhydrat- Malabsorption (Aufnahmestörung) leiden.
Andererseits sollte man stets an die m.E. wichtigste Ursache der sog. „Reizdarmsymptomatik“ denken – die Mikrobiomstörung. Dysbiosen (Fehlbesiedlungen) im Darm können alle relevanten Symptome erzeugen. Gasbildende Gär- und Fäulniskeime produzieren regelmäßig Meteorismus und reizen oft die Darmschleimhaut, die dann u.U. mit Durchfall reagiert. Aber auch eine Obstipation kann ihre Ursache in einer Fehlbesiedlung haben, wenn die die Darmmotorik aktivierenden gewünschten Kulturen (insbesondere Bifidobakterien) fehlen.
Leider komme ich nicht umhin festzustellen, daß ausgerechnet die Dysbiose als wichtigste Ursache des „Reizdarmsyndroms“ in Gastroenterologie nach wie vor kaum Beachtung findet!
Mein Rat:
Bei all diesen Beschwerden im Zweifel immer eine Stuhluntersuchung auf Dysbiose und Darmschleimhautstörungen durchführen lassen!