„Gut Ding will Weile haben“ sagt der Volksmund gemäß des Satzes, den 1669 der Dichter Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen verfaßte. Dieses Spruch geht noch vielsagend weiter mit „…und vortreffliche Sachen werden ohne große Mühe und Arbeit nicht erworben!“ Das gilt auch uneingeschränkt für die Qualität und Verträglichkeit unseres Brotes! Dazu möchte ich eine kurze Geschichte erzählen. Als Stadtkind verbrachte ich mit Begeisterung nahezu alle Ferien auf dem Bauernhof meiner Großeltern. Dort wurde in der 50er-Jahren im Spätsommer der geerntete Roggen (Weizen war selten und damals nur für Feingebäck genutzt) zur Mühle gebracht, gemahlen und anschließend zum Bäcker gefahren, der uns daraus unsere Sauerteigbrote backte. Ich wunderte mich schon damals, daß wir erst am übernächsten Tag die fertigen Brote abholen konnten. Gut Ding will halt Weile haben!

Und genau das ist oft der Grund, warum im Minutentakt großtechnisch herstellte Weißmehl-, Roggenmisch- oder Vollkornbrote sozusagen als „Quickie-Brot“ bei vielen Menschen Bauchbeschwerden hervorrufen. Oft wird hier dem Gluten eine Verursacherrolle zugeschrieben , was gewiß häufig genug der Fall sein mag, zumal dem Teig noch extra Gluten für verbesserte Backeigenschaften zugesetzt wird. Aber immer wieder berichten mir meine Patienten, daß sie das selbstgebackene glutenhaltige Brot gut vertragen, nach dem Verzehr von Weizen- oder Roggenbrot vom Bäcker oder Supermarkt aber massive Bauchbeschwerden bekommen. Das Gluten kann also hier nicht die Ursache für die Beschwerden sein.

Wie erklärt sich nun dieses Phänomen? Sofern meine Patienten (oder auch ein Bäcker) einen sog. dreistufigen Sauerteig mit einer langen Teigführung (Gare) von 8-10 Stunden vor dem Backen eingesetzt haben, kommt es durch die Milchsäurebakterien zu einer entscheidenden „Vorverdauung“ des Getreides! Die Bakterien aktivieren Enzyme im Getreide, die auch Gluten abbauen können. Aber in erster Linie werden sog. FODMAP´s von Bakterien und Hefen z.B. im Sauerteig verdaut, bevor sie heftige Bauchbeschwerden u.a. durch Gasbildung erzeugen können. Zuckerstoffe wie Fruktane in Weizen und Roggen sind z.B. sog. FODMAP´s, die bei der industriellen Schnellverarbeitung des Getreides weitestgehend erhalten bleiben und gasbildende Gärbakterien füttern.

Eine lange Teigführung vor dem Backen hat ganz entscheidende gesundheitliche Vorteile. Der Teig kann durch CO2-Bildung quellen und leichter verdaubar werden, der Geschmack verbessert sich durch längere Aromaentfaltung, das Brot bleibt deutlich länger frisch und das Darmmikrobiom wird durch die Milchsäurebakterien aufgewertet. Laut einer Studie der Uni Hohenheim mindern sich die belastenden FODMAP´s schon nach 4 Stunden Teigruhe um 90%!
Aber einen noch ganz anderen großen Vorteil bietet die lange Teigführung. Insbesondere im Vollkornbrot findet sich die Phytinsäure, die bekanntlich insbesondere Eisen und Zink im Darm bindet und uns an der Aufnahme hindert, was zu einem nennenswerten Mangel beider Mineralien führen kann!
Das Getreide bringt allerdings auch das die Phytinsäure spaltenden Enzym Phytase mit, das aber nur bei einer langen Teigführung aktiviert werden kann! Dann gehen auch keine wertvollen Mineralien verloren.

Die Backindustrie versucht mit ca. 250 technischen Enzymen den Nachteil sehr kurzer Teigführung auszugleichen und die Teigqualität zu verbessern. Die große Zahl Darmkranker zeigt aber, daß ihr das bei weitem nicht gelingt.

Mein Rat:
Backen Sie Ihr Brot mit Hefen oder Sauerteig mit langer Gare selbst oder finden Sie Bäcker, die diese traditionelle Form des Backens noch beherrschen und pflegen. Wie bei allen Ernährungsfragen geht es auch hier um Wertschätzung unserer Nahrung.

Wir Therapeuten sollten bei der Behandlung unserer Darmpatienten neben der Glutenintoleranz auch an die FODMAP´s denken und in der Ernährungsberatung die Frage der Brotqualität mit einfließen lassen.