Seit im Jahr 2012 mittels molekulargenetischer Untersuchungen die Ergebnisse des sog. Human Microbiom Projekt HMP veröffentlicht wurden, steht die Bedeutung des Darm-Mikrobioms im Mittelpunkt. So mag es nicht verwundern, daß mit dem Begriff Mikrobiom allgemein das des Darmes gemeint ist. Wir unterhalten aber auf allen Körperoberflächen, so in den Bronchien, in der Blase und vor allem auch in der Mundhöhle ein sehr komplexes Mikrobiom, das sogar diverser als das des Darmes ist. Und wenn man recht überlegt, dann sollte es auch nicht überraschen. Wie viele Keime befinden sich an unseren Speisen, an unseren Fingern oder auch in der Atemluft, die sich in unserer wohlig warmen Mundhöhle überaus wohlfühlen, zumal sie auch noch mehrmals täglich gefüttert werden? Und dann gibt es dort auch wunderbare Nischen, in den sie sich ungehindert verstecken und vermehren können. So unterscheidet man heute in der zahnärztlichen Mikrobiologie acht verschiedene bakterielle Lebensbereiche wie z.B. weicher und härter Gaumen, auf und unter der Zunge oder zwischen den Zähnen. Sollten Sie unter Parodontose, Zahntaschenbildung oder Karies leiden, dann erleben Sie ein gestörtes Mikrobiom in Aktion.
Hunderte verschiedene Bakterienarten und weit über eine Billion Keime leben in unserer Mundhöhle, deren Zusammensetzung über Krankheit oder Gesundheit entscheidet. Auch hier spielt die Diversität eine große Rolle. Je mehr Arten auf uns leben, umso besser wird unsere Schleimhaut stabilisiert und das Immunsystem trainiert. Und darum ist es auch kein Scherz, wenn man davon ausgeht, daß ein Kuß durchaus zu einer Mikrobiomauffrischung und Verbesserung der Diversität führen kann! Dahingegen führt eine übermäßige Anwendung desinfizierender Mundwasser zum gegenteiligen Effekt.
Das soll allerdings keinesfalls bedeuten, daß wir unsere Zahnhygiene vernachlässigen sollten. Leider finden unter unserer insbesondere kohlenhydratreichen Ernährung pathogene Keime auf Zähnen, Zahnfleisch und in Zahntaschen hervorragende Angriffsflächen, die zu Karies, Parodontose bzw. Parodontitis führen können. Vergessen Sie bitte nicht, daß insbesondere die kleinen Zwischenmahlzeiten in Form von Riegeln, Säften, Lightgetränken oder Süßigkeiten willkommenes Bakterienfutter darstellen.
Wie bereits in der Pflege des Darm-Mikrobioms bewährt, dürfte die Zukunft der Mundhygiene sowie die Therapie der Parodontose in der Anwendung von Probiotika liegen! Probiotische Zahncremes und Mundwasser gibt es bereits.
Mein Rat:
Da die Mundhöhle als Beginn des Verdauungstraktes untrennbar mit dem Darm verbunden ist, sollten Sie pfleglich mit Ihrem Darmmikrobiom umgehen und es zumindest zeitweilig mit Probiotika auffrischen. Und vergessen Sie das Küssen nicht!